Nachtjäger und Nachtschlachteinheiten

Stab/NJG 1: Dezember 1943 bis September 1944, Teile IV./NJG 1 bis Mitte Februar 1945

2./Nachtschlachtgruppe 1: 20.10. - Ende Dezember 1944

Bereits im Juli 1940 waren Nachtjagdflugzeuge regelmäßig auf der Hei erschienen. Ab Mitte März 1941 war der große und modern eingerichtete Flugplatz Venlo in den besetzten Niederlanden einsatzbereit, so daß keine Notwendigkeit bestand, Nachtjäger in Bönninghardt zu stationieren. Nach Räumung des Fliegerhorstes Venlo Anfang September 1944 war Bönninghardt dann der westlichste noch verfügbare Flugplatz, auf dem Nachtjäger eingesetzt werden konnten.

Auszug aus dem Flugbuch von Leutnant Hans-Joachim Schlage, IV./NJG 1. Die Eintragungen sprechen für sich.

Die mittlerweile betagten Me 110 kamen seit 1940 weiterhin zum Einsatz, trotzdem gehörte die Hei zu den wenigen Orten, von denen aus manche der seltenen, modernen He 219 eingesetzt wurden. Auch die Ausrüstung der Nachtjäger hatte sich mittlerweile geändert. Mittels Radar konnten die Besatzungen ihr Ziel im Nachthimmel schneller finden. Einzelheiten über den Bewegungsverlauf der Bomberströme wurden den Besatzungen über Funkleitstellen auf den Flugplätzen mitgeteilt. In Bönninghardt hatte man zu diesem Zweck eine ehemalige Jugendherberge, die sog. Jugendburg, zum Tower umfunktioniert.

 

 

Links: Die Jugendburg, am Rand des Alpener Berges gelegen, in ihrer Funktion als Funkleitstelle. Sie wurde Ende der zwanziger Jahre als Jugendherberge errichtet. Architektonisch im Bauhaus-Stil der damaligen Zeit, wurde sie wie die Norbertusburg in Sevelen (Bild rechts) vom Architekten Kückelmann entworfen. Nach dem Krieg diente die Jugendburg wieder ihrem Ursprungszweck. Beide Gebäude wurden Anfang der sechziger Jahre, angeblich wegen baulicher Mängel, abgerissen.

Links: Das "Geweih" eines Me 110-Nachtjägers (Radarantennen). Rechts: Eine Heinkel 219, davor Hauptmann Förster, Stab/NJG 1 (gefallen 1. Oktober 1944 in Münster-Handorf) und sein Bordfunker. Förster war mit Gewißheit gelegentlich in Bönninghardt, möglicherweise ist diese Aufnahme auch dort entstanden (im "Wendehammer").

Links: Adolf Galland bei einem Presseempfang 1955. Er war gerade aus Argentinien zurückgekehrt, wo er einen Beratervertrag wahrgenommen hatte. Er war - wie Mölders - nie in Bönninghardt, möglicherweise aber der Leutnant in der Mitte des rechten Fotos: Walter Scheel, Bordfunker und Adjutant in der III./NJG 1.

Detailausschnitt einer Auf-nahme von der Nordostecke des Flugplatzes von Oktober 1944 (Einmündung des Höhenweges in die Bönninghardter Straße). Bei a oben hat offenbar ein eingegrabenes "Drehfeuer" (drehbarer Scheinwerfer) die Funktion eines Landeleitlichts übernommen, bei a unten ist noch der Standort des zweiten Scheinwerfers zu erkennen. Bei b ein nach dem Krieg (nach dem Ausbau der Bönning-hardter Straße zur heutigen Ampelkreuzung mit der B 58) abgerissener Bauernhof, dessen Name offenbar über die Jahre in Vergessenheit geraten ist. Bei c die Häuser der Familie Thielen, im Waldstück erkennt man über d ein längliches Gebäude. Rechts neben dem Waldstück zwei Feldhäuser.

Offenbar ist nach kurz Weihnachten 1944 ein Nachtjäger in eine Scheune des oben erwähnten Bauernhofs gestürzt. Bei a erkennt man deutlich die zerstörte Scheune sowie einen großen Brand- oder Löschwasserfleck. Unten rechts die Einmündung der heutigen Straße "Am Flughafen" in die Bönninghardter Straße (Ausschnitt einer Aufnahme vom 21. Februar 1945). Zum Zeitpunkt der Aufnahme war der Flugbetrieb bereits eingestellt.

 

 

Darunter: Ende 1944 entstand diese Aufnahme einer zerstörten Bf 110 auf der Mittelstraße in Kamp-Lintfort. Es ist davon auszugehen, daß die Aufnahme am 18. Dezember entstand, nachdem die Bf 110 WNr. 180336 der 11./NJG 1 "bei Bönninghardt" abgestürzt war. Auch der Absturz der Bf 110 WNr. 2694 der 3./NJG 1 am 12. April 1942 ereignete sich weitab vom Flugplatz, sehr wahrscheinlich in Repelen.

 

Die Nachtschlachtgruppen stellten den letzten Einsatzbereich dar, in dem die veralteten Ju 87 (wie die Bf 109 seit 1936 im Einsatz) noch erfolgreich eingesetzt werden konnten. Diese letzte Verwendungsphase der „Stukas“ begann in Bönninghardt am 20. Oktober 1944, als die drei Staffeln der Nachtschlachtgruppe 1 unter Hptm. Wilberg Quartier bezogen.

Zwei der Staffeln verlegten kurz darauf nach Köln-Wahn, die 2. Staffel verblieb mit ihren 15 Maschinen auf der Hei. Ihre Aufgabe bestand in der Bekämpfung gegnerischer Truppen- und Fahrzeugansammlungen, Artilleriestellungen und Nachschubwege. Die Besatzungen bekamen ihre Ziele vor dem Einsatz zugewiesen und durften grundsätzlich nicht selbständig operieren. Je drei Tage vor und nach Vollmond war wegen der Sichtverhältnisse Einsatzverbot.

Die Maschinen der Serie D-5 waren zu diesem Einsatzzweck mit zusätzlichem Funk und Panzerung, Flammenvernichtern an der Auspuffanlage sowie Tarnanstrich versehen. Die Verluste waren relativ gering. Zwei Einsätze pro Nacht waren die Norm, manchmal waren jedoch, je nach Gesamtlage und Anzahl der Ziele, bis zu fünf befohlen. Mit dem Vorrücken der Alliierten (z. B. im Raum Aachen) wurde der Einsatzraum für die Nachtschlachtgruppen immer geringer. Ende Dezember 1944 waren nachweislich noch einige „Stukas“ auf der Hei, die dort aber nur noch sehr wenige Tage verblieben sind.

Die wohl einzige Luftaufnahme von Bönninghardt, auf der Flugzeuge zu erkennen sind: Stukas der 2./Nacht-schlachtgruppe 1 unter Tarnnetzen im südwestlichen Abstellbereich am ersten Weihnachtstag 1944.

 

 

 

 

 

 

 

Links: Die Besatzung einer Nachschlachtgruppe steigt in ihre Maschine. Diese Ju 87 hatten alle entbehrlichen hellen Markierungen übermalt sowie Flammenvernichter an den Auspuffstutzen. Rechts eine sog. Jericho-Trompete. Diese kleinen Holzpropeller an der Fahrwerksverkleidung waren beim Stuka für den furchteinflößenden Heulton der Maschine beim Sturzangriff verantwortlich.

 

Mosquito-Einsätze

Auch Nachtjäger "der anderen Feldpostnummer" erschienen ab Sommer 1944 regelmäßig über Bönninghardt. Machten manche von ihnen "nur" Luftaufnahmen (u. a. zwei in dieser Website veröffentlichte), so brachten die anderen mit sog. Störangriffen (intruder missions) Bomben und MG-Feuer über die Hei. Mindestens drei dieser "hölzernen Wunder", die für die deutschen Nachtjäger fast unerreichbar waren, fielen der Flak auf dem Platz oder in der Umgebung zum Opfer, in allen drei Fällen wurden beide Besatzungsmitglieder getötet:

25./26.11.44 am Haagschen Berg, Mosquito FB VI, PZ 333 der 305. Squadron (polnisch);

3.12.44 südöstlich Hamb, Mosquito FB VI, MM 427 der 464. Squadron;

9.2.45 Issum am Strohweg, Mosquito FB VI, HR 152 der 605. Squadron.

(Erneuter Hinweis an Sondenbesitzer: die Absturzstellen sind weitestgehend "abgegrast", aussagekräftige Teile werden sich nicht mehr finden lassen. Der Autor dieser Website dehnt seine Führungen auf Wunsch auf diese Stellen aus.)

Das Flugplatzgelände war offenbar nie unmittelbares Ziel von Aufklärungsflügen, sondern wurde "nebenbei mitfotografiert", wie der folgende Bericht vermuten läßt. So entstand die Gesamtaufnahme, die u. a. den beschädigten Bauernhof zeigt, beim Einsatz 106G/4411, den eine Crew der 544. Sqdn. ausführte (Angaben in Klammern durch den Autor ergänzt):

"21.2.45, (Mosquito PR XVI, Seriennummer) MM 285 Flight Lieutenant Warwick (und) Flight Sergeant Stapleton 13.50-17.10 (Uhr) 3.20 (Std. und Min. Flugzeit) EMMERICH westlich des RHEINS bis DUISBURG

Wir stiegen in klarem Himmel und konnten unseren gesamten Anflugweg genau verfolgen. Wir flogen bei 26.500 Fuß, Abgasstreifen entstanden ab 27.000. Dunst machte nahe ARNHEIM den Vergleich der Landschaft mit der Karte schwierig, und während der Beobachter ein Flugzeug direkt hinter uns sichtete, begann der Pilot eine Fehlrunde nördlich der Gegend. Wir führten fünf Runden westlich des RHEINS durch, auf denen wir dreimal von einer einzelnen Spitfire gestört wurden, besonders durch eine, die aus den Abgasstreifen unmittelbar auf uns hinabstieß und uns zum Abbruch der Runde zwang. Wir identifizierten dieses Flugzeug nicht eher als Spitfire, bis es ca. 200 Meter zu uns aufgeschlossen hatte. Wir kehrten zum Heimatflugplatz zurück (RAF Benson) und landeten um 17.10."

 

In dieser Phase des Krieges ging es bereits chaotisch zu, der Verbleib abgeschossener, notgelandeter und sonstiger überfälliger Besatzungen und Maschinen ließ sich im allmählichen Zusammenbruch Deutschlands nicht mehr klären. In vielen solcher Fälle hat sich daran bis heute nichts geändert, dies gilt offenbar auch für die Fälle 18 und 19, deren Besatzungen nicht auf die Hei zurückkehrten.

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