Heimatschutz; vor der Luftschlacht um England

I./JG 26: 26.06. - 15.07.1940                    III./JG 3: 21.07. - 08.08.1940

I. + II./JG 52: 29.07. - 03.08.1940

Die I./JG 26 verlegte mit 35 Maschinen gegen Ende des Westfeldzuges zurück nach Bönninghardt. Rund drei Wochen lang wurde nun „Heimatschutz" gegen eventuell eindringende britische Bomber geflogen.

Die III./JG 3 verbrachte kurz darauf aus dem gleichen Grund einen noch kürzeren Zeitraum auf der Hei, die wenigen Einsätze verliefen aber allesamt ohne besondere Vorkommnisse, so daß diese Einheit am 8. August ebenfalls zur französichen Kanalküste abkommandiert wurde. Die Zeit massierter Einflüge alliierter Bomber kam erst Jahre später.

Links: Walter Kienitz, Kommandeur der III./JG 3, rechts: Heinz Schild, I./JG 26

Die Offiziere Kühle (sitzend, Kommandeur I. Gruppe) und Tietzen vom JG 52 verlegten mit ihrer Einheit über Bönninghardt zur Luftschlacht um England.

 

 

Für die beiden Gruppen des JG 52 war der Aufenthalt auf der Hei nur eine Verlegungsetappe auf dem Weg zur Kanalküste. Die I. Gruppe war anschließend vom 4. August bis zum 30. Oktober in Coquelles an der französischen Kanalküste stationiert und mußte anschließend in Krefeld wieder aufgefrischt werden, da die Kampfhandlungen auf dem Höhepunkt der Luftschlacht um England eine sehr hohe Zahl an Toten, Vermißten und Kriegsgefangenen vom fliegenden Personal der Luftwaffe forderten. Spätestens ab den Frühjahr 1944 machte sich dieser unaufholbare Personalverlust in der "Reichsverteidigung" über dem eigenen Luftraum bemerkbar.

 

„Brausebad": Widmung zum Einsatzhafen

Im Jahr 1941 erfolgte die Widmung zum Einsatzhafen I. Ordnung. Dem Flughafen wurde der Deckname „Brausebad" zugeteilt (der Flughafen Venlo hieß „Nassau", Mönchengladbach „Oder", Kirchhellen „Kaukasus").

Bereits am 8. Oktober 1935 erließ Hermann Göring als Reichsminister der Luftfahrt und Oberbefehlshaber der Luftwaffe den Befehl, der den Umfang der Ausstattung eines Einsatzhafens beschrieb.

Landungen auf Einsatzhäfen waren aus Gründen der Geheimhaltung zunächst zu vermeiden. Nach Fertigstellung oberirdischer Anlagen (z. B. Hallen und Unterkünfte) konnte diese Beschränkung aufgehoben werden. Wann genau z. B. die Splitterboxen am Platzrand erbaut worden sind, konnte bisher nicht ermittelt werden.

Alliierte Lagezeichnung des Flughafens nach Vorlage einer Luftaufnahme, die erst gegen Kriegsende entstand.

Spätestens ab Sommer 1944 standen rings um den Platz drei bis fünf Flakstellungen (u. a. östlich des Besenbinderweges und im Kreuzungsbereich des Hoerstgener Weges mit der heutigen Autobahn). Suchscheinwerfer standen in Veen, Millingen und auf dem Dachsberg bei Kamp. Bei Überflügen alliierter Bomberverbände kamen zusätzlich mobile Geschütze auf LKWs zum Einsatz.

Der Bönninghardter Platz wurde jedoch schon vor seinem Ausbau zum Einsatzhafen öfters von Nachtjägern angeflogen, die I./NJG 1 benutzte ab Juli 1940 den Platz einige Zeit als sog. Absprunghafen (zur Reichweitenverlängerung; die Gruppe war damals in Gütersloh stationiert).

Am 21. August d. J. verunglückte die Nachtjägerbesatzung Olt. Berger/Uffz. Pfeiffer, 1. Staffel NJG 1, schwer beim Überschlag ihrer Bf 110 bei der Landung. Manchmal kam es zu tödlichen Unfällen.

Dieses Foto zeigt sehr wahrscheinlich die Bruchlandung einer Bf 110 der 1./NJG 1 auf dem Bönninghardter Flugplatz in der Nacht vom 21. auf den 22. August 1940. Die Besatzung kam mit dem Leben davon.

 

Wegen der gewöhnungsbedürftigen Lage des Platzes waren insbeson-dere unerfahrene Flugzeugführer in manchen Fällen überfordert. Die verfügbaren Luftaufnahmen belegen, daß das Rollfeld ausschließlich in Richtung Nordost/Südwest für Landungen nutzbar war. Die Maschinen kamen also vom Nordwestrand von Alpen eingeschwebt, setzten nach Überfliegen der Hauptstraße an der Nordostecke des Rollfeldes auf und hatten dann noch ca. 1000 Meter Ausrollstrecke. Die Hauptwindrichtung am linken Niederrhein ist jedoch Nordwest, man landete also oft quer zum Wind. Nach längerem Regenfall war die Landefläche oft tückisch weich. Erschwerend kam noch das leichte Gefälle der Rollbahn nach Süden hinzu.

Aufnahme des "Wendehammers" im Einmündungsbereich des Flughafenweges (oben links) in den Hoerstgener Weg. Der breite Streifen in seiner Mitte scheint eine Betonpiste zu sein. Die linke Hälfte des Wendehammers ist heute wieder aufgeforstet, über die rechte läuft die heutige Autobahn mitten hinweg. Oben rechts erkennt man die dreirohrige Flakstellung am Hoerstgener Weg, unten rechts Splitterboxen für Flugzeuge (Aufnahme von 1944).

 

 

 

Der Flughafen Bönninghardt blieb offenbar über seine gesamte Existenzdauer Anflugziel für „leergeflogene" Nacht- und Tagjägerbesatzungen.

Links: Me 110-Nachtjäger kurz vor dem Start, rechts: die Dramatik der  Luftkämpfe in der Dunkelheit wird hier nur aus Sicht der damaligen Propaganda wiedergegeben. Die beiden folgenden Fotos zeigen das Ergebnis solcher Kämpfe realistischer:

Absturz eines britischen Bombers vom Typ "Hampden" (sehr wahrscheinlich AT 174) am 10./11. März 1942 bei Hoerstgen. Die vier Besatzungsmitglieder kamen um. Das Gehöft links im unteren Bild müßte der Hof "Alten Rädtgen" sein. Bereits Ende 1941 war ein zweimotoriger britischer Bomber zwischen Sterzenhof und Schwalbennest in Veen abgestürzt. Hier gab es angeblich fünf oder sechs Tote und einen Überlebenden, der aus dem Birtener Kiesbaggersee gefischt werden mußte, der Sterzenhof wurde zum Teil abgedeckt.

In der Zeit zwischen der Luftschlacht um England und der Reichsverteidigung Sommer 1943 waren in Bönninghardt offenbar keine Luftwaffenverbände stationiert, und der Sportflugbetrieb lebte wieder auf. Es ist jedoch von einer Einheit von Heeresaufklärern mit Henschel 126 die Rede, die im ersten Quartal 1942 zur Auffrischung (Ausbildung von neuem Personal) auf der Hei gelegen haben soll.

Detailaufnahme vom Nordrand der Bönninghardter Straße: Rechts im Bild die heutige Friedhofsgärtnerei Schild, links oben das heutige Haus Nr. 34, darunter der angebliche Standort des Hauses der Familie Günter, auf dem ein Feldhaus aufgestellt wurde. Die Flecken auf der anderen Straßenseite deuten an, daß dort auch zeitweilig Feldhäuser standen. Das Haus der Familie Günter wurde angeblich 1942 durch die mißglückte Landung eines Sportflug-zeuges beschädigt und nicht wieder aufgebaut. (Aufnahme aus 1944)

 

Am 27. August 1942 stürzte die Short Stirling R 9155 nahe Issum ab, alle sieben Besatzungsmitglieder dieses vier-motorigen Bombers der 214. Squadron RAF kamen ums Leben. Es ist davon auszugehen, daß sich der tatsächliche Absturzort an der Bahnlinie, südwestlich des Flugplatzes befindet.

 

Vier zivile Todesopfer bei Slootz, Talweg, 5.3.43

Im Gegensatz zu den meisten umliegenden und größeren Gemeinden blieb Bönninghardt, von gezielten Angriffen auf den Flugplatz gegen Kriegsende abgesehen, weitgehend verschont. Dreimal jedoch forderte das Geschehen eine Reihe von Todesopfern. Im ersten Fall wurde dabei fast eine ganze Familie ausgelöscht:

In der Nacht vom 5. auf den 6. März 1943 begann das Bomber Command der Royal Air Force, welches durch den bald sehr umstrittenen Arthur Harris geführt wurde, die sog. Schlacht um das Ruhrgebiet. Erstes Ziel war die „Kruppstadt" Essen, die ihren mittlerweile zweiundfünfzigsten Bombenangriff erlebte. Das westdeutsche Zentrum der Rüstungsindustrie blieb auch künftig stets im Fokus der britischen Vernichtungsbemühungen und mußte bis Kriegsende nochmals zweihundertzwanzig „raids" über sich ergehen lassen.

Einer der rund vierhundert viermotorigen Bomber erhielt kurz nach Überfliegen der niederländisch-deutschen Grenze einen schweren Treffer. Augenzeugen aus Veen sahen den brennenden Bomber abends gegen halb Zehn tief über ihr Dorf hinwegfliegen. Auch der Issumer Wilhelm Slootz, der auf einem Hof am östlichen Ende des Talweges wohnte, vernahm das Dröhnen der Flugzeugmotoren, als er, wie bei Luftgefahr üblich, an der Pumpe vor dem Hof stand. Er konnte wohl nur noch kurz feststellen, daß das Geräusch eines einzelnen Flugzeuges auf ihn zu kam, als ihm die ausgeklinkte Luftmine des Bombers quasi vor die Füße fiel. Die darauffolgende gewaltige Explosion pulverisierte nicht nur den einundsiebzigjährigen Landwirt, sondern blies den Hof regelrecht vom Erdboden. In den Trümmern starben weitere drei seiner fünf Angehörigen aus drei Generationen, die im Wohnhaus verblieben waren:

 

 

Nur ein damals sechs Monate altes Mädchen wurde unversehrt vom Schoß ihrer Mutter geborgen. Als Mahnmal und Erinnerung ist den Toten der Familie Slootz durch die katholische Kirchengemeinde Bönninghardt ewiges Liegerecht eingeräumt worden.

Die siebenköpfige Bomberbesatzung war vollständig umgekommen. Das Wrack ihrer Maschine war kaum 150 Meter nördlich, hinter dem Hof der Familie Grootz aufgeschlagen. Andere Wrackteile wurden später sudöstlich des Hofes Slootz aufgefunden.

Trotz der angespannten Versorgungslage auch bei Baumaterialien konnte der Hof durch gute Beziehungen zu den zuständigen Stellen bald wieder aufgebaut werden, und eine andere Familie zog ein. Die einzige zivile Überlebende dieses Unglücks gelangte bald zu Pflegeeltern. Das eigentliche Angriffsziel hatte in dieser Nacht über vierhundertsechzig Tote und viertausend Obdachlose zu beklagen.

 

 

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